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Berlin, 27. Mai 2014 – Die gute Konjunktur hebt die Zahlungsmoral. Das vierte Jahr in Folge berichten die Inkassounternehmen in ihrer Umfrage, dass Rechnungen jetzt genauso gut oder sogar besser als im Vorjahr beglichen werden. Gleichzeitig aber warnen die Inkassounternehmen vor den Folgen der Reform des Verbraucherinsolvenzrechts zum 1. Juli. „Durch die Halbierung der Restschuldbefreiungszeit werden Gläubiger benachteiligt und unredliche Schuldner dazu verleitet, mehr Schulden aufzunehmen“, warnt BDIU-Präsident Wolfgang Spitz. Für das nächste Jahr sei mit einem Anstieg der Verbraucherinsolvenzen auf bis zu 100.000 zu rechnen. Nachbessern müsse die Bundesregierung zudem beim Gesetz zur Verbesserung der Zahlungsmoral im Geschäftsverkehr. Eine Vorschrift zur Pauschalanrechnung von Verzugsschäden könnte zur Folge haben, dass Gläubiger künftig weniger Geld erstattet bekommen. „Das wäre das Gegenteil dessen, was mit diesem Gesetz eigentlich erreicht werden soll“, kritisiert Spitz.
Die deutsche Wirtschaft ist mit einem kräftigen Wachstumsschub ins erste Halbjahr gestartet, getragen auch von einer weiterhin guten Zahlungsmoral der Verbraucher und der Unternehmen. In ihrer Umfrage zum Zahlungsverhalten melden jetzt 77 Prozent der Inkassounternehmen, dass Rechnungen im ersten Halbjahr 2014 genauso gut oder sogar noch besser als vor einem halben Jahr beglichen werden. An der Umfrage nahmen die 560 Mitgliedsfirmen des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) teil. Diese setzen die Interessen von über einer halben Million Gläubiger durch und liefern mit ihrer Erfahrung einen repräsentativen Querschnitt über die Zahlungsabläufe aller wichtigen Branchen.
Die Inkassounternehmen sind damit ein Seismograf für die Zahlungsmoral der gesamten Wirtschaft.
Konjunktur hebt Zahlungsmoral
„Bereits das vierte aufeinanderfolgende Jahr können wir jetzt von einer Verbesserung bei der Zahlungsmoral berichten“, sagte Wolfgang Spitz, Präsident des BDIU, bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse am Dienstag in Berlin. „Unser Seismograf schlägt weiterhin nicht aus. Das zeigt, in welch hervorragender Verfassung sich die deutsche Wirtschaft befindet.“
Nur 39 Prozent der Inkassounternehmen melden, dass eine aktuell schlechte Auftragslage der Grund ist, warum gewerbliche Schuldner mit ihren Zahlungsverpflichtungen ins Hintertreffen geraten. Vor fünf Jahren, auf dem Höhepunkt der durch die Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten verursachten Wirtschaftskrise, lag dieser Wert bei 64 Prozent. „Dies zeigt, wie positiv sich die gute Konjunktur auf die Liquiditätssituation der Unternehmen auswirkt“, so Spitz.
Insolvenzen schmelzen weiter
Auch bei den Insolvenzen setzt sich die Entspannung fort. Der BDIU erwartet einen Rückgang der Unternehmenszusammenbrüche auf rund 25.000 in diesem Jahr (2013: 25.995).
Gleichwohl warnt der Verbandspräsident vor einem Nachlassen der Risikovorsorge. Immerhin 60 Prozent der Inkassounternehmen melden aktuell, dass zu wenig Ausstattung mit Eigenkapital zahlungspflichtige Unternehmen von einem rechtzeitigen und vollständigen Ausgleichen ihrer Forderungen abbringe. Verbunden mit hohen Zahlungsausfällen bei eigenen Kunden – laut 67 Prozent der Inkassounternehmen derzeit ursächlich für ausbleibende Zahlungen gewerblicher Schuldner -, könnten Firmen so schnell in existenzbedrohende Liquiditätsschwierigkeiten geraten. „Ein effizientes und konsequentes Forderungsmanagement ist weiterhin unabdingbar“, so Spitz. Das bedeutet: Rechnungen müssten schnell gestellt werden, am besten sofort nach Leistungserbringung, und Mahnungen sollten unmittelbar bei Verzugseintritt erfolgen.
Zahlungsverzug: Neues Gesetz könnte Gläubiger schlechter stellen
Die Bundesregierung hat jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Zahlungsmoral im Geschäftsverkehr gestärkt werden soll. Kern des Vorschlags: Muss der Gläubiger länger als 30 Tage auf sein Geld warten, kann er von seinem Schuldner eine Pauschale von 40 Euro verlangen. Außerdem soll der Verzugszins um einen Prozentpunkt auf 9 Prozent über dem Basiszinssatz erhöht werden.
„Das ist im Grundsatz zu begrüßen“, kommentiert BDIU-Präsident Spitz. Gläubiger würden so gestärkt. „Allerdings ist es falsch, diese 40 Euro, wie im Gesetzesentwurf geplant, pauschal auf den Verzugsschaden anzurechnen.“
Insbesondere im Geschäftsverkehr seien, so Spitz, die Kosten für die Gläubiger zur Durchsetzung einer berechtigten Forderungen oft höher als 40 Euro. „Ein einfaches Mahnverfahren reicht kaum aus“, erklärt der BDIU-Präsident. Gläubiger müssten häufig eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen mit vielen Kommunikationsschritten durchführen. Bei Beauftragung eines Inkassounternehmens würden dem Gläubiger laut dem Gesetzesvorschlag künftig für die Berechnung des Verzugsschadens die Inkasso- beziehungsweise Rechtsanwaltskosten nur noch abzüglich der pauschalen 40 Euro zustehen. „Diese Pauschalanrechnung ist also eine Schlechterstellung und abzulehnen.“
Nicht nachvollziehbar ist aus Spitz‘ Sicht außerdem, warum das Gesetz nur für den Geschäftsverkehr gelten sollte. „Die dem Gesetz zugrunde liegende EU-Richtlinie lässt es für die Mitgliedsstaaten offen, ob sie diese auch für den B2C-Bereich anwenden wollen“, sagt er. „Einige Mitgliedsstaaten haben davon Gebrauch gemacht. Warum Deutschland diese Gestaltungsspielräume nicht nutzt, ist unverständlich.“
Verbrauchergeschäfte mit leichten Problemen
Denn trotz der allgemein guten Lage beobachten die Inkassounternehmen auch jetzt stockende Zahlungsprozesse bei Firmen, die im Business-to-Consumer-Geschäft aktiv sind. So berichten 41 Prozent in der Umfrage, dass Kunden von Onlinehändlern ihre Rechnungen schlecht begleichen. Weiterhin haben viele Vermieter derzeit Schwierigkeiten mit der Zahlungsbereitschaft ihrer Mieter (41 Prozent der Inkassounternehmen melden das), und auch Energieversorger (40 Prozent), der Versandhandel (38 Prozent) sowie die Dienstleistungsbranche allgemein (38 Prozent) klagen über Kunden mit einem schlechten Zahlungsverhalten. (Mehrfachantworten waren bei dieser Frage möglich.)
Hauptgrund, warum private Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, ist nach Erfahrung der Inkassounternehmen Überschuldung.
79 Prozent der BDIU-Unternehmen melden das in der Umfrage.
Schnellere Entschuldung sorgt für Kritik
Umso mehr richtet sich daher der Blick auf den 1. Juli 2014. Dieser Tag stellt einen Einschnitt dar – für Schuldner, aber auch für die Gläubiger. Denn ab diesem Datum tritt eine Reform des Verbraucherinsolvenzrechts in Kraft, und zahlungsunfähige Verbraucher haben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, innerhalb von nur noch drei Jahren durch ein Gericht von ihren Schulden befreit zu werden.
Bislang geht das frühestens nach sechs Jahren.
„Viele Verbraucher verstehen diese Reform des Verbraucherinsolvenzrechts als ein Signal, dass sie sich leichter ihrer Zahlungsverpflichtungen entledigen könnten“, so Wolfgang Spitz. „Das dürfte sich für die Gläubiger allerdings als ganz fatal erweisen.“
Insolvenz kann eine Chance sein
Pro Jahr nehmen rund 100.000 überschuldete Privatpersonen ein solches Verbraucherinsolvenzverfahren in Anspruch. Ihr Ziel ist es, dass ihnen ihre bisher angesammelten Schulden erlassen werden, damit sie einen wirtschaftlichen Neuanfang starten können. „Für redliche Verbraucher ist das ein gangbarer Weg“, sagt Marion Kremer, Vizepräsidentin des BDIU. „Wichtig ist, dass man sich selbst Gedanken darüber macht, warum man in die finanzielle Schieflage geraten ist – und dass man dann die Initiative ergreift, um, unterstützt zum Beispiel durch Schuldnerberater, die angehäuften Zahlungsverpflichtungen zu bereinigen. Das ist letztlich auch für die Gläubiger sinnvoll, die auf diesem Wege vielleicht noch einen Teil ihrer berechtigten Forderungen durchsetzen können. Und natürlich handelt es sich bei den Betroffenen auch um potenzielle Kunden, die nach Bereinigung ihrer finanziellen Schwierigkeiten gerne wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen können.“
In den fünfzehn Jahren seines Bestehens ist das Verfahren mehrfach reformiert worden – „allerdings meistens zulasten der Gläubiger und mit der offensichtlichen Zielsetzung, Schuldnern einen Schuldenerlass zu erleichtern“, merkt BDIU-Präsident Spitz kritisch an.
Jetzt gebe es allerdings auch positive Ansatzpunkte für die Gläubiger.
Schulden-„Drehtür“ soll versperrt werden
Eine der Änderungen, die aus Sicht der Gläubiger positiv zu bewerten ist: Die Gerichte prüfen, ob ein Schuldner schon einmal in den letzten zehn Jahren eine Restschuldbefreiung erhalten hat oder ob ihm eine Befreiung von seinen Restschulden innerhalb der letzten drei Jahre verwehrt wurde. „Dies ist ein guter Ansatz, um den sogenannten Drehtüreffekt zu verhindern“, sagt Marion Kremer. Damit ist das Phänomen gemeint, dass sich entschuldete Verbraucher innerhalb kürzester Zeit erneut insolvenzreif verschulden oder sogar noch im laufenden Verfahren neue Verbindlichkeiten aufnehmen. „Das schützt die Gläubiger vor unredlichen Schuldnern“, so Kremer.
Schuldner müssen sich um Job bemühen
„Zu begrüßen sind auch die Regelungen zur Erwerbsobliegenheit des Schuldners“, ergänzt BDIU-Präsident Spitz. Das bedeutet, dass Schuldner während des gesamten Verfahrens dazu angehalten sind, sich um einen Job zu bemühen. Erzielen sie dabei Einnahmen, die über den für sie jeweils geltenden Pfändungsgrenzen liegen, werden die so erzielten Gelder an die Gläubiger im Insolvenzverfahren verteilt. „Damit lässt sich zumindest ein Teil der Forderungen noch realisieren“, so Spitz.
Die Gläubigervertreter erneuern allerdings ihre Kritik an der Halbierung der Restschuldbefreiungsperiode.
Wenn Schuldner innerhalb von drei Jahren nach Verfahrenseröffnung 35 Prozent ihrer Forderungen sowie die Kosten des Verfahrens begleichen können, dann erhalten sie schon nach diesen drei Jahren eine Befreiung von ihren Schulden. Können sie nur die Verfahrenskosten bezahlen, steht ihnen eine Restschuldbefreiung bereits nach fünf Jahren in Aussicht. „Um es kurz zu sagen: Diese Regelungen sind schlecht“, so Spitz. „Denn sie nehmen den Gläubigern viele Chancen, ihre berechtigten Forderungen doch noch durchzusetzen.“
3-Jahres-Insolvenz zum Nachteil der Gläubiger
Zu Erklärung verweist Spitz auf die Pflicht der Schuldner, sich um einen auskömmlichen Job zu kümmern. „Die meisten Schuldner kommen zwischen dem dritten und dem sechsten Jahr nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens wieder in Arbeit“, so Spitz. „Sie können ihre Gläubiger also erst dann befriedigen. Genau diese Möglichkeit zur Befriedigung von Ansprüchen wird den Gläubigern also jetzt genommen. Das ist ungerecht.“
Schuldner, die über ein höheres Einkommen verfügten, würden zulasten der Gläubiger bevorzugt, argumentiert Spitz weiter. „Wenn jemand dazu in der Lage ist, seine Forderungen zu 35 Prozent zu bedienen, stellt sich die Frage: Könnte er vielleicht nicht noch mehr leisten? Das wird in den meisten Fällen zu bejahen sein.“
Ungemach drohe den Gläubigern zudem künftig bereits beim außergerichtlichen Einigungsversuch, der jedem gerichtlichen Verfahren vorgeschaltet ist. „Warum sollten Schuldner – selbst wenn sie dazu in der Lage wären – Gläubigern überhaupt noch Vergleichsangebote jenseits der 35 Prozent unterbreiten?“, fragt Spitz. „Ein fairer Interessenausgleich sieht anders aus.“
Schon jetzt sei festzustellen, dass sich Überschuldete auf die ab 1. Juli veränderte Lage einstellen. „Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen geht seit über einem Jahr deutlich zurück“, sagt Marion Kremer. „Das liegt nicht nur an der besseren wirtschaftlichen Lage. Viele warten mit ihrem Antrag, weil sie auf die schuldnerfreundlichere Rechtslage hoffen.“
Verbraucherinsolvenzen sinken – und steigen nächstes Jahr
90.000 Verbraucherinsolvenzen erwartet der BDIU in diesem Jahr, etwa 1.200 weniger als 2013. Bereits letztes Jahr sank deren Zahl gegenüber dem Vorjahr um 6,6 Prozent auf 91.200. Zwar setzte sich dieser Trend in den ersten Monaten dieses Jahres fort – allerdings auf einem verlangsamten Niveau. „Wir rechnen damit, dass es nun bald wieder zu einem Anstieg der Verfahren kommen wird“, so Marion Kremer.
2015 seien wieder bis zu 100.000 Fälle zu erwarten.
Denn trotz der sich erholenden Wirtschaft und der zurückgehenden Arbeitslosigkeit gibt es weiterhin einen hohen Sockel überschuldeter Verbraucher. Fast jeder zehnte Erwachsene ist betroffen.
Ältere zahlen besser als Jüngere
Junge Menschen seien besonders gefährdet. Ihr Zahlungsverhalten monieren die Gläubigervertreter schon seit Längerem. 50 Prozent der Inkassounternehmen melden im ersten Halbjahr 2014, dass das Zahlungsverhalten junger Erwachsener zwischen 18 und 24 Jahren schlechter ist als das von Verbrauchern jenseits der 25 Jahre.
Vor allem sind es Konsumschulden, von denen die Inkassounternehmen berichten.
Häufigste Gläubiger junger Verbraucher sind Telekommunikationsunternehmen, wie 94 Prozent der Inkassounternehmen melden (für über 25-jährige Schuldner machen 68 Prozent der BDIU-Mitglieder diese Angabe).
Konsumschulden bedenklich
„Unverantwortlich“ findet BDIU-Vize Marion Kremer das. Denn Konsumschulden sind in ihren Augen schlicht „dumme Schulden“: „Das Muster ist dabei stets: Man möchte einen kurzfristigen Konsumwunsch befriedigen und stellt darüber das Rechnen ein. Die Enttäuschung am Ende ist bitter: Denn der Kredit oder die Rate müssen weiterhin bedient werden, auch dann noch, wenn die Befriedigung, die einem die Erfüllung dieses Konsumwunsches bereitet hat, längst erloschen ist.“
Weitere typische Gläubiger junger Schuldner sind laut der Umfrage Onlinehändler (83 Prozent der Inkassodienstleister bestätigen das). Dagegen sind die häufigsten Gläubiger der über 25-jährigen Schuldner Banken und Kreditinstitute (87 Prozent der Inkassounternehmen machten eine entsprechende Angabe in der Umfrage) sowie Energieversorger (70 Prozent).
Finanzwissen fehlt
Umso wichtiger ist es laut Marion Kremer, junge Verbraucher vor einem Abgleiten in Verschuldungssituationen zu bewahren. Ansatzpunkte dazu gibt es mehrere: 69 Prozent der Inkassounternehmen melden in der Umfrage, dass ein schlechtes Vorbild des Elternhauses der Grund ist, warum Verbraucher zwischen 18 und 24 Jahren verschuldet sind. 59 Prozent ergänzen, dass das Thema Geld und Verschuldung zu wenig im Schulunterricht thematisiert wird, die jungen Leute also nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt wurden, die in unserer kreditbasierten Konsumgesellschaft existieren.
„Genau an diesem Punkt setzt das Projekt Schulschwein an. Es hat zum Ziel, bereits Grundschulkinder über einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld aufzuklären“, so Kremer. Das Besondere an diesem Projekt: Es holt alle Beteiligten an einen Tisch, denn es richtet sich sowohl an die Schüler als auch an die Lehrer und die Eltern. Dreh- und Angelpunkt ist dabei ein transparentes Sparschwein, das namensgebende „Schulschwein“. Es hat vier Fächer: Sparen, Ausgeben, Investieren und Gute Tat. Alle Fächer können separat gefüllt und geleert werden. Man sieht also, wie Geldmengen wachsen, aber auch, wie sie schrumpfen können. „Die Kinder sollen den Wert des Geldes erfahren. Und sie sollen darüber nachdenken, wofür sie es ausgeben wollen. Mit den Schulschweinen erfahren sie selbst, was es bedeutet, zum Beispiel für ein neues Fahrrad, das man sich gewünscht hat, zu sparen – wie lange das dauern kann und wie man sich das zur Verfügung stehende Geld einteilen muss, um das Fahrrad zu bekommen.“
Unterstützung für „Projekt Schulschwein“
Seit diesem Schuljahr unterstützt auch die Deutsche Inkasso Akademie (DIA), die BDIU-Tochtergesellschaft, die sich um die Aus- und Weiterbildung der Branche kümmert, eine Grundschule im Berliner Stadtteil Lichtenberg im Rahmen einer sogenannten Schulpatenschaft. Schulpaten sind bei dem gemeinnützigen Projekt zumeist Unternehmen, die die Gelder zur Verfügung stellen, die es für die Ausstattung der teilnehmenden Grundschulen mit den projektbegleitenden Materialien braucht. In einem 90-minütigen Workshop wurden die Lehrer an der Lichtenberger Adam-Ries-Grundschule von den „Schulschwein“-Initiatorinnen, Diana Bartl und Stephanie Schmid, über die Ziele des Projektes informiert; außerdem erhielten die Pädagogen ein Spiralcurriculum, mit dem sie die „Schulschwein“-Themen in allgemein bildenden Fächern wie zum Beispiel den Deutsch- und den Mathematikunterricht einbinden können. Alle Schüler der teilnehmenden Klassen erhielten eines der transparenten Sparschweine, das sie mit nach Hause nehmen durften. Zuvor waren die Eltern an einem Elternabend über die Ziele des „Schulschwein“-Projektes informiert worden. Dabei standen Themen wie Gelderziehung, Taschengeld und Konsum im Mittelpunkt.
„Private Initiativen wie das Projekt Schulschwein, die Schülern durch die Vermittlung von Wissen und Lebenspraxis unterstützen, sind absolut hilfreich, um Kinder auf das Wirtschaftsleben vorzubereiten und somit vor einem Abgleiten in Verschuldungssituationen zu bewahren“, so Marion Kremer. Aber der BDIU-Vizepräsidentin reicht das nicht aus. „Die Themen Geld und das Vermeiden von Schulden müssen integraler Bestandteil des Schulunterrichts werden. Hier sind nach wie vor mehr Anstrengungen notwendig; private Initiativen alleine können das Problem nicht in den Griff bekommen.“
Junge Verbraucher konsumieren auf Pump
Die Notwendigkeit zeigt sich nach Überzeugung Kremers nicht zuletzt in der anhaltenden Konsumlaune der Verbraucher. Sie führt unter anderem dazu, dass mehr Menschen einen Kredit aufnehmen. Nach Angaben des Bankenfachverbands vergaben dessen Mitglieder im vergangenen Jahr Kredite im Wert von 41 Milliarden Euro an Personen, was einem Wachstum um 6,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. „Die niedrigen Zinsen verleiten viele Verbraucher dazu, Konsumwünsche auch auf Kredit zu realisieren“, so Kremer. So nutzt laut dem Bankenfachverband inzwischen jeder dritte Privathaushalt regelmäßig Ratenkredite, um Konsumgüter zu kaufen – mit steigender Tendenz. Vor allem jüngere Verbraucher zwischen 25 und 45 Jahren nehmen Ratenkredite auf, um Autos oder Haushaltsgeräte zu finanzieren.
Laut BDIU steigen damit allerdings auch die Gefahren für die Gläubiger. „Zwar werden über 97 Prozent solcher Kredite wieder vollständig zurückbezahlt“, so Kremer. „Aber die Risikoneigung der Verbraucher nimmt zu. Und das ist keine gute Basis, sollte es mit der Wirtschaft wieder einmal nach unten gehen und zum Beispiel Kurzarbeit und Jobverluste das Tilgen bestehender Ratenvereinbarungen erschweren.“ Schon jetzt melden 70 Prozent der Inkassounternehmen, dass ein unkontrolliertes Konsumverhalten der Grund ist, warum private Schuldner ihre Rechnungen nicht begleichen.
Öffentliche Hand zahlt (noch) schlecht(er)
Problematisch ist aktuell nach Einschätzung der Inkassounternehmen außerdem das Zahlungsverhalten des öffentlichen Sektors. In ihrer Umfrage berichten 81 Prozent der Forderungsmanagement-Experten, dass insbesondere Städte und Gemeinden Rechnungen derzeit schlecht bezahlen. 17 Prozent melden sogar, dass sich die Rechnungstreue der öffentlichen Auftraggeber noch einmal verschlechtert hat. Jeder zehnte Inkassodienstleister vermerkt zudem, dass die öffentliche Hand im ersten Halbjahr 2014 generell zu den besonderen Problembranchen beim Zahlungsverhalten gehört.
Handwerker müssen warten
„Diese Schwierigkeit ist seit Jahren bekannt“, sagt BDIU-Präsident Wolfgang Spitz. „Dabei sollten öffentliche Auftraggeber eine Vorbildfunktion haben, gerade auch wenn es darum geht, Rechnungen vertragsgemäß und vor allem pünktlich zu bezahlen.“ Betroffen von dieser schlechten Rechnungstreue sind nach Angaben von Spitz viele Handwerksbetriebe. Diese verfügten oft über nur eine geringe Eigenkapitaldecke und seien daher auf eine schnelle Liquiditätsrückführung angewiesen. „Sie sind mit ihrer Arbeitsleistung und mit Materialkosten in Vorleistung getreten. Gleichzeitig haben sie
laufende Kosten beispielsweise für den Arbeitslohn, Miete und neue Materialien. Müssen sie zu lange auf das Geld für ihre Leistungen warten, kann das einen Betrieb in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen.“
Ein Grund für die schlechte Zahlungsmoral ist wohl, dass sich viele Kommunen selbst in schwierigen Haushaltslagen befinden. Zwar sprudeln vielerorts die Steuereinnahmen dank des Wirtschaftswachstums. Aber trotzdem stünden viele Kommunen, würden sie wie ein normales Wirtschaftsunternehmen geführt, am Rande der Pleite, darunter zahlreiche Großstädte in Westdeutschland; einigen droht inzwischen die Zwangsverwaltung.
Kommunen: Über 20 Milliarden Euro offene Forderungen
Gleichzeitig steigt allerdings auch die Summe der offenen Forderungen, die die Kommunen gegenüber säumigen Zahlern konsequenter einfordern könnten. Sie ist 2013 nach Schätzung des BDIU erstmals über die Marke von 20 Milliarden Euro geklettert. 2012 hatte dieser Wert noch bei 19,8 Milliarden Euro gelegen. „Das sind Einnahmepotenziale, die gehoben werden sollten“, so Wolfgang Spitz. „Private Inkassounternehmen können im Wege der Verwaltungshilfe dazu beitragen, diese Fehlbeträge erheblich zu reduzieren.“ Positive Signale zu einer solchen Zusammenarbeit kamen zuletzt aus NRW. Das verwundert nicht, sind doch laut jüngsten Berichten des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr die Haushalte in nur 47 der 359 kreisangehörigen Kommunen in Deutschlands größtem Bundesland strukturell ausgeglichen. In 145 der Mitgliedskommunen des kommunalen Verbundes ist die Lage so prekär, dass sie ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen müssen. Für die Bürger hat das oftmals Leistungskürzungen zur Folge; viele Kommunen erhöhen gleichzeitig Abgaben und Steuern.
Inkassofirmen als Verwaltungshelfer
Inzwischen dürfen auch Kommunen aus Nordrhein-Westfalen unter bestimmten Voraussetzungen mit Inkassounternehmen zusammenarbeiten. Dies hat die Landesregierung zuletzt in der Antwort auf eine Kleine Anfrage im November 2013 bestätigt. Demnach steht es ihnen frei, nach einer Einzelfallprüfung selbst zu entscheiden, ob sie einen externen Dienstleister im Wege der Verwaltungshilfe beim Einzug ausstehender Forderungen beauftragen. Voraussetzung ist unter anderem, dass sie selbst bereits erfolglos eine Realisierung versucht haben. „Viele Kommunen in anderen Bundesländern setzten bereits auf Inkassodienstleister, die ihnen beim Einzug niedergeschlagener Forderungen helfen“, so Spitz. Ein Beispiel sei die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden. „Für Städte und Gemeinden ist es grundsätzlich sinnvoll, einen solchen Weg ernsthaft zu prüfen, erst recht, wenn sich eine Haushaltsnotlage abzeichnet. Mehreinnahmen sind möglich, und die Belastungen der Steuerzahler sowie der Bürgerinnen und Bürger könnten so erheblich abgefedert werden.“
Inkasso-Umfrage zum 1. Halbjahr 2014: Alle Ergebnisse in Grafiken (144.27 KB)
Quelle: BDIU
Schlagwörter: insolvenz, verbraucherinsolvenz, zahlungsverzug
Dieser Artikel wurde am 10. Jun 2014 in der Kategorie Inkasso Deutschland, Presse, Wirtschaftsinformationen veröffentlicht.
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