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Strasbourg / Brüssel – Sie sollte die Liquidität kleinerer Unternehmen verbessern, doch nun droht sich eine neue EU-Richtlinie ins Gegenteil zu verkehren: Die am 20. Oktober vom Europäischen Parlament verabschiedete Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs sieht eine allgemeine Zahlungsfrist für Rechnungen von 30 Tagen vor und will damit „sicherstellen, dass kleine Firmen durch die verspätete Zahlung von Rechnungen durch öffentliche Behörden oder Firmen keine finanziellen Nachteile mehr erleiden müssen“, wie es in einer Pressemitteilung des Europäischen Parlaments heißt. Danach gilt in Transaktionen zwischen Unternehmen die allgemeine Zahlungsfrist, sofern keine andere vertragliche Vereinbarung besteht. Genau dieser Zusatz erhitzt jedoch die Gemüter von Unternehmen quer über alle Branchen.
Zahlungsfrist bis zu 60 Tage
Laut der Richtlinie ist es nämlich möglich, die Frist auf 60 Tage auszuweiten, wenn beide Seiten zustimmen. Noch darüber hinaus kann die Zahlungsfrist dann über 60 Tage hinaus verschoben werden, wenn dies von Gläubiger und Schuldner im Vertrag „explizit vereinbart“ ist und unter der Voraussetzung, dass es keine „grobe Benachteiligung“ des Gläubigers darstellt. Schließlich gewinnt der Gesetzestext weitere Brisanz dadurch, dass die Überprüfungsfrist, innerhalb derer festgestellt werden soll, ob die Güter oder Dienstleistungen mit den vertraglichen Regeln übereinstimmen, auf 30 Tage bestimmt ist. Im Falle besonders komplexer Verträge kann auch diese Frist verlängert werden, wenn dies ausdrücklich vereinbart und nicht grob nachteilig gegenüber dem Gläubiger ist.
Kritik durch Bauindustrie
Massive Kritik an der EU-Richtlinie kommt etwa vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Dort fürchtet man eine deutliche Verschlechterung der Zahlungsmoral und reagiert in einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe. „Entsetzt zeigt sich die deutsche Bauwirtschaft über ein Vorhaben der EU, das insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen eigentlich zu einer schnelleren Bezahlung von Rechnungen verhelfen soll. Genau das Gegenteil ist der Fall“, so die einhellige Einschätzung des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes und des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie in Berlin.
Regelmäßig werde sich die Zahlungsfrist von derzeit 30 auf 60 Kalendertage erhöhen. Hinzu komme eine europäische Abnahmefrist von 30 Tagen, die verlängert werden dürfe, solange dies nicht „grob unfair“ sei. Ab wann eine Verlängerung grob unfair werde, bleibe jedoch offen. „Folglich müssten Bauunternehmen nach der Erstellung des Bauwerkes mindestens 30 Kalendertage auf eine Abnahme warten und dann mindestens weitere 60 Kalendertage auf die Bezahlung. Damit werden die Bauunternehmen 90 Tage (und mangels klarer Obergrenzen womöglich noch deutlich länger) als Kreditgeber missbraucht“, so die beiden Verbände weiter.
Lieferatenkredit
Auch nach Einschätzung der BID Unternehmensgruppe wird die EU-Richtlinie das Risiko von Unternehmensinsolvenzen erhöhen. „Wir machen bereits heute den Lieferantenkredit als eine der Hauptursachen für die zurzeit trotz anziehender Konjunktur wieder steigenden Unternehmensinsolvenzen (siehe Herbstumfrage 2010 der Inkassounternehmen) aus“, so der Vorstand der BID Bayerischer Inkasso Dienst AG Heinz Bittermann.
Demgegenüber seien Verbesserungen durch die neue EU-Richtlinie allenfalls in Teilbereichen des Auslandsinkassos zu erhoffen, wenn auch nicht sicher zu erwarten. Vor allem in Italien und Spanien, wo Zahlungsläufe von 100 und mehr Tagen zum Alltag gehören, könne die Richtlinie die Realisierung von Forderungen beschleunigen.
Die Ergebnisse der Herbstumfrage 2010 unter den Mitgliedsunternehmen des BDIU (Bundesverband Deutscher Inkasso Unternehmen) können Sie hier auf der Internetseite des BDIU downloaden.
Schlagwörter: auslandsinkasso, bauindustrie, europa, forderungsausfall, fristen, Handwerk, inkassounternehmen, zahlungsverzug
Dieser Artikel wurde am 09. Dez 2010 in der Kategorie Blog, BÜRGEL, Handwerk, Inkasso Ausland, Inkasso Deutschland, Wirtschaftsinformationen veröffentlicht.
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